Ein Roboterarm von Fanuc sortiert Plastikabfälle. Der Einsatz von Robotern im Recycling ist aber nur einer von Nachhaltigkeitsaspekten im Bereich der Robotik.

Ein Roboterarm von Fanuc sortiert Abfälle. Der Einsatz von Robotern im Recycling ist aber nur einer von Nachhaltigkeitsaspekten im Bereich der Robotik. (Bild: Fanuc / Youtube)

Wie würden Sie das Thema Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Robotik definieren?

Ralf Winkelmann: Nachhaltigkeit bedeutet, sich über viele kleine Zahnräder Gedanken zu machen, die ineinandergreifen müssen, um den großen Schritt zur Kreislaufwirtschaft zu gehen. Ich würde Nachhaltigkeit in der Industrie in drei Aspekte unterteilen. Erstens: Was trägt das Produkt zur Nachhaltigkeit bei? Zweitens: Wie nachhaltig ist das Produkt selbst in Bezug auf Lebenszeit, Reparierbarkeit, Energieverbrauch, et cetera? Drittens: Was können wir als Unternehmen zur Nachhaltigkeit beitragen, etwa durch Energieeinsparung in der Produktion, nachhaltiger Service und so weiter?

Das heißt konkret?

Winkelmann: Das bedeutet, zu ermitteln, welchen Footprint hinterlässt das Produkt, wenn es darum geht, Energie zu sparen oder den Einsatz von Werkstoffen zu reduzieren. Aber Nachhaltigkeit ist nicht limitiert auf Materialien. Wir müssen auch betrachten, welchen Einfluss ein Produkt auf die Menschen und ihre Arbeitsbedingungen hat.

Zur Person: Ralf Winkelmann

Portraitbild von Fanuc-Deutschland-Geschäftsführer Ralf Winkelmann in einer Gesprächssituation
Ralf Winkelmann (Bild: Fanuc)

Ralf Winkelmann ist Geschäftsführer der Fanuc Deutschland GmbH und Vice President Fanuc Europe Corporation sowie seit 2020 Mitglied im Vorstand des VDMA-Fachverbandes Robotik + Automation. Der Diplom-Ingenieur hat an der TU Dresden und dem King's College London Elektrotechnik studiert.

Ein Beispiel bitte?

Winkelmann: Wir haben bei Fanuc in Deutschland jetzt Assisted Reality eingeführt. Kunden können bei technischen Problemen mit einer App über Smartphone oder Tablet Kontakt zu uns aufnehmen und mittels sicherer Videoübertragung das Problem schildern. Entweder lässt sich das Problem per Ferndiagnose lösen oder der Besuch eines Servicetechnikers kann gezielt vorbereitet werden, etwa durch die Auswahl der Ersatzteile, die mitgenommen werden müssen. In jedem Fall lassen sich viele Autokilometer einsparen, die sonst notwendig wären.

Fanuc fokussiert sehr stark auf eine umfassende Ersatzteilversorgung, warum?

Winkelmann: Wir möchten sicherstellen, dass solange unsere Produkte dem Kunden nutzen, er sie weiterverwenden kann - egal, wie alt sie sind. Es geht bei unseren Produkten ja oft um komplexe Maschinen. Die will man nicht wegschmeißen, nur weil eine 30 Jahre alte Verstärkerstufe den Geist aufgegeben hat.

Klappt das wirklich immer?

Winkelmann: Wir haben, und das ist eine große Stärke von Fanuc, eine sehr umfassende Lagerhaltung von Ersatzteilen. In der Regel können durch unsere vorausschauende Bevorratung von Ersatzteilen die Probleme gelöst werden, denn 99,97 Prozent der Ersatzteile für alle von uns jemals produzierten Steuerungen, Roboter und Maschinen haben wir in Europa vorrätig. Und die meisten anderen können wir binnen ein oder zwei Wochen von unserem Headquarter oder anderen Fanuc-Niederlassungen beziehen. Wenn die Originalteile aber einmal tatsächlich nicht mehr zur Verfügung stehen sollten, unterstützen wir die Kunden mit funktionskompatiblen Modulen, die wir extra fertigen lassen. Allerdings ist die Einzelfertigung von Austauschkomponenten die absolute Ausnahme.

Wie funktioniert das genau?

Winkelmann: Wenn der Kunde auf uns zukommt und eine Maschine weiter betreiben möchte, dann wird zum Beispiel eine nicht mehr verfügbare Platine mit modernen Komponenten so nachgebaut, dass sie die gleiche Funktion erfüllt. Sie hat dann natürlich die gleiche Schnittstelle und die entsprechende Firmware, damit sie austauschkompatibel ist.

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Ist so eine Fertigung mit sehr kleinen Stückzahlen nicht enorm teuer?

Winkelmann: Ein so hergestelltes Ersatzteil ist sicher sehr kostenintensiv - aber man muss das in einem größeren Zusammenhang sehen. Wenn man dadurch eine ganze Fertigungslinie weiter am Laufen halten kann, ist es sogar ein sehr ökonomisches Vorgehen.

In Europa ist es ja gängige Praxis, dass Ersatzteile durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen 10 Jahre verfügbar sein müssen. Viele Hersteller halten sich - leider - sehr strikt an diesen Zeitraum. Bei solchen Herstellern ist der Kunde dadurch manchmal gezwungen, die Maschine oder den Roboter wegzuschmeißen. Bei uns ist das anders.

Zum Beispiel in der Antriebstechnik gab es in den letzten Jahrzehnten sehr große Fortschritte, insbesondere beim Energieverbrauch. Wie sinnvoll ist der Weiterbetrieb alter Maschinen?

Winkelmann: Letztlich ist es die Entscheidung des Kunden, welchen Weg er gehen will. Oft macht der Weiterbetrieb Sinn. Wenn der Kunde den Fokus aber künftig auf Energieeinsparungen oder die Realisierung besonders dynamischer Prozesse legen will, dann können moderne Produkte die Lösung sein, um Nachhaltigkeit für die Zukunft zu schaffen.

Ich denke da etwa an präventive Wartung. Da ist es natürlich schon sinnvoll, dass man eine neue Technologieplattform nutzt, um die Maschinen im Auge zu behalten und drohende Probleme zu erkennen, bevor eine Maschine kaputtgeht. Die dafür notwendige Sensorik und Analytik lässt sich mit den aktuellen Produkten natürlich besser abbilden als mit den älteren Systemen.

Das Thema Nachhaltigkeit im Sinne von Ressourcenschonung bekommt immer mehr Bedeutung und wird dazu führen, dass auch die Roboter-Parks sich ändern werden. Und das nicht nur hinsichtlich von deren Performance-Werten, sondern vielleicht auch hinsichtlich deren Größe.

Wie ist das gemeint?

Winkelmann: Es geht hier um einen Effekt, den wir in Asien schon sehr deutlich erkennen. Die Traglasten der dort eingesetzten Roboter sind bei vergleichbaren Aufgaben deutlich kleiner als etwa in Deutschland. Wenn man weniger Masse bewegt, sinkt auch der Energieeinsatz. Diese Art von Erkenntnis setzt sich gerade durch.

Wie lässt sich das auch in Europa vorantreiben?

Winkelmann: Wir bieten Werkzeuge an, um durch Simulation Aussagen zu treffen, welches Produkt auch im Downsizing am besten geeignet ist für den gewünschten Prozess. In diesem Zusammenhang ist der digitale Zwilling von großer Bedeutung. Dadurch lassen sich Anlagen auf dem Reißbrett - oder heute eher dem CAD-Programm - von vornherein ressourcenoptimiert planen, so dass sie möglichst effizient mit Energie und Material umgehen. Nachhaltig heißt für uns auch, eine Maschine nicht dauernd an der Belastungsgrenze zu fahren - das ist keine gute Idee, wenn die Maschinen lange halten sollen.

Fanuc-Deutschlandgeschäftsführer Ralf Winkelmann bei der Vorstellung der CRX-Serie von kollaborativen Robotern von Fanuc.

Wenn der Weiterbetrieb eines Roboters keine Option mehr, gibt es dann ein Recyclingkonzept von Fanuc?

Winkelmann: Ich denke mal, dass vermutlich alle unsere Maschinen, die aus dem Feld genommen werden, etwa über Schrotthändler den Weg des Recyclings gehen. Aber das haben wir nicht in der Hand, das machen die Kunden in Eigenregie.

Wichtiger für mich ist in diesem Kontext aber ein anderer Aspekt: Nämlich die Produktentwicklung von Beginn an so aufzustellen, dass eine Maschine möglichst einfach und vollständig recycelt werden kann. Oder die Maschine von vornherein so zu konstruieren, dass dafür möglichst wenig Material benötigt wird.

Es gibt bei Fanuc eine Philosophie, die durch den Gründer Seiuemon Inaba geprägt wurde und die von ihm mit einem deutschen Begriff beschrieben wurde: weniger Teile!  Der Einsatz von möglichst wenigen Teilen, auch durch Standardisierung und Modularisierung, steht in unserer Produktentwicklung ganz weit oben.

3D-Druck noch keine Alternative zur Ersatzteillagerung

Blick in das europäische Ersatzteillager von Fanuc in Luxemburg.
Das europäische Ersatzteillager von Fanuc in Luxemburg. (Bild: Fanuc)

Apropos weniger Teile. Auch die Produktion und Lagerhaltung von Ersatzteilen verbraucht Ressourcen. Kann man mit HIlfe von additiver Fertigung hier zu einer On-Demand-Produktion von Teilen kommen?

Winkelmann: Wenn die Technologie einmal soweit ist, zum Beispiel mechanische Komponenten in der gewünschten Güte herzustellen, dann kann das durchaus eine Option sein. Aber soweit sind wir in vielen Bereichen aktuell leider noch nicht.

Mit den Cobots hat der Leichtbau in der Robotik Einzug gehalten. Lässt sich das mit einer langen Lebensdauer - und damit Nachhaltigkeit - vereinbaren?

Winkelmann: Ja, das geht! Wir haben das ganz konkret in unserer neuen CRX-Serie von Leichtbaurobotern umgesetzt und dabei auf unsere jahrzehntelangen Erfahrungen aus dem Bau von Industrierobotern zurückgegriffen. Wichtig dabei ist, dass man Schritt für Schritt vorgeht und nicht alles auf den Kopf stellt. So rechnen wir für unsere CRX Cobots mit acht Jahren Wartungsfreiheit.

Zum Thema Robotik und Nachhaltigkeit gehört auch das Recycling von Produkten durch Roboter, wie es Apple vor Jahren mit dem iPhone-Recycling-Roboter Liam demonstriert hat. Warum sind wir in diesem Bereich noch nicht weiter?

Winkelmann: Das liegt weniger an den Robotern als vielmehr an den Menschen…

Warum das denn?

Winkelmann: Die Recyclingfähigkeit sowie die Möglichkeiten der Roboter müssen schon beim Produktdesign berücksichtigt werden. Wenn schon beim Design des Produktes darauf geachtet wird, dass man z.B. mit intelligenter Robotik das Produkt auseinander nehmen kann oder es reparieren kann, dann könnte der Roboter einen großen Beitrag zu unserem Kreislaufsystem leisten.

Die Grundlagen zum Thema Robotik

Mit dem Thema kollaborative und Low-Cost-Robotik kommen auf Mittelstand und Handwerksbetriebe ganz neue Fragestellungen zu. Im folgenden finden Sie die wichtigsten Grundlagen verständlich erklärt:

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