Mann mit Exoskelett vor dunklem Hintergrund im Regen

Lassen Menschen mit körperlich schweren Jobs oder Krankheiten nicht im Regen stehen: Exoskelette können in vielen Bereichen des Lebens unterstützen. (Bild: German Bionic)

So unangenehm die chaotische Situation durch den Personalmangel auf den Flughäfen im Urlaubssommer 2022 für Reisende ist - sie zeigt hervorragend, wie sich auch Bereiche, in denen manuelle Arbeitskraft bisher vorherrschend war, durch Robotiksysteme wie Exoskelette zumindest teilweise automatisieren lassen.

Etwa im Bereich der Gepäckabfertigung, wo Mitarbeiter Hunderte von Koffern pro Stunde schleppen und stapeln müssen - und aufgrund von Rückenbeschwerden durch die aktuell anfallende Mehrarbeit oft viele der sogenannten Lader ausfallen.

Das Exoskelett Cray X  im Einsatz am Stuttgart Airport.
Das Exoskelett Cray X im Einsatz am Stuttgart Airport. (Bild: German Bionic)

Was genau ist ein Exoskelett?

Unter einem Exoskelett versteht man im Bereich der Roboter-Automatisierung eine mechanische äußere Stützstruktur, die Menschen bei körperlich schweren Tätigkeiten unterstützen und entlasten kann. Die Palette reicht dabei vom passiven Exoskelett, das keine Energiezufuhr braucht und rein mechanisch Rücken, Arme und Beine entlastet, bis zu elektrisch angetriebenen und teilweise KI-gesteuerten aktiven Exoskeletten, die quasi moderne Leichtbau-Roboter zum Tragen auf der Haut sind.

Ein Exoskelett gegen die Überlastung beim Kofferschleppen

Um Abhilfe zu schaffen, setzt der Flughafen Stuttgart daher das Exoskelett Cray X von German Bionic ein, das die Mitarbeiter mit bis zu 30 Kilogramm pro Hebevorgang unterstützt. Der leichte Power-Suit bringt zudem eine aktive Laufunterstützung mit und ist über die German Bionic IO-Plattform in den digitalen Workflow integriert.

Sie ermöglicht es, wichtige Daten wie die Gesamtmenge an Hebeunterstützung aus der Ferne auszulesen und über einen Browser anzuzeigen. Damit lässt sich nicht nur die jeweils aktuelle Auslastung beurteilen, sondern sie hilft auch bei einer optimalen Zuweisung von Personalressourcen, so das Unternehmen German Bionic.

Per Exoskelett ferne Welten erkunden

Operator mit aktivem Exoskelett steuert Roboter
RH5 Manus lässt sich mithilfe eines am DFKI Robotics Innovation Center entwickelten aktiven Exoskeletts fernsteuern. (Bild: DFKI / Thomas Frank)

Für die Erkundung fremder Himmelskörper werden in Zukunft wohl vor allem autonom agierende Roboter zum Einsatz kommen. Manchmal wird aber für bestimmte Aufgaben die manuelle Kontrolle durch einen Menschen notwendig und auch möglich sein. Zu diesem Zweck hat das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) ein System entwickelt, bei der beispielsweise ein Astronaut von einer Raumstation in der Umlaufbahn oder vom Lander aus mithilfe eines Exoskeletts einen Roboter steuern kann.

Der Greifer des LRU 2 ist einer menschlichen Hand stark nachgebildet und kann auch haptisches Feedback für einen menschlichen Operator liefern.
Der Greifer des des DLR-Roboters LRU 2 ist einer menschlichen Hand stark nachgebildet und kann auch haptisches Feedback für einen menschlichen Operator liefern. (Bild: DLR)

Die Kooperationspartner interagieren dabei unterschiedlich stark nach dem Konzept der „Sliding Autonomie”, von kompletter Autonomie über Autonomie mit „Operator in the Loop” und Teleoperation mit teilautonomen Funktionen bis hin zu reiner Teleoperation.

Auf diese Weise können auch unvorhergesehene Montageleistungen wie nicht eingeplante Reparaturen statt autonom vom Roboter flexibel in Zusammenarbeit mit der Astronautin oder dem Astronauten durchgeführt werden.

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DRL) hat in diesem Zusammenhang auch einen Robotergreifer entwickelt, der sehr stark einer menschlichen Hand nachgebildet ist und dem Operator mit dem Exoskelett ein haptisches Feedback liefern kann.

Exoskelette: Auf dem Weg zum Milliardenmarkt

Nach Prognosen des Marktforschungsunternehmens ABI Research wird das globale Marktvolumen für industriell genutzte Exoskelette von aktuell weniger als 500 Millionen US-Dollar bis zum Jahr 2030 auf rund 3,9 Milliarden US-Dollar ansteigen. Weitere Zahlen der Studie:

  • Vor allem der Bereich der aktiven Exoskelette wird stark wachsen und in allen Bereichen (Industry, Consumer, Militäry, Commercial) 2030 einen Umsatz von gut 5 Mrd. US-Dollar erreichen. Passive Exoskelette werden deutlich langsamer bis auf etwa 2,3 Mrd. Dollar wachsen.
  • Die aktuell größten Märkte für Exoskelette sind die USA, Deutschland, China, Südkorea und Japan mit einem Marktanteil von etwa 77 %.
  • Als führende Unternehmen im dem Marktsegment der Exoskelette sieht ABI Research aktuell German Bionic Systems für die industriellen Anwendungen und Sarcos im Bereich der militärischen Nutzung.

Ein Exoskelett für schwerkranke Kinder

Elena Garcia Armada mit dem Publikumspreis des European Inventor Awards 2022
Elena Garcia Armada mit dem Publikumspreis des European Inventor Awards 2022 (Bild: Europäisches Patentamt (EPA))

Bei Kindern, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, kommt es häufig zu einem Abbau der Rumpfmuskulatur und zu Verformungen der Wirbelsäule. Das wirkt sich auch negativ auf ihre Lungen- und Herzfunktion aus, was nicht nur ihre Lebensqualität beeinträchtigt, sondern auch die Lebenserwartung senkt.

Für ihre Entwicklung des ersten anpassungsfähigen Exoskeletts für gelähmte Kinder ist die spanische Roboter-Ingeneurin Elena García Armada kürzlich mit dem Publikumspreis des Europäischen Erfinderpreises 2022 ausgezeichnet worden.

Die spanische Wissenschaftlerin mit ihrer Erfindung.
Die spanische Wissenschaftlerin mit ihrer Erfindung. (Bild: EPO)

Elena Garcia Armada entwickelte einen verstellbaren Anzug aus Titan, der mit einem Netz kleiner Motoren und Sensoren verbunden ist.

Die daraus resultierenden mechanischen Gelenke passen sich auf intelligente Weise an die Bewegungen jedes Kindes an, während die Rehabilitation voranschreitet. Das Exoskelett ermöglicht es Kindern, die im Rollstuhl sitzen, während der Rehabilitationsmaßnahmen zu gehen.

Mit Exoskelett wird der Mensch zum Schweißroboter

Nicht an jedem Ort können Roboterschweißzellen eingesetzt werden, manchmal sind Menschen für Schweißaufgaben noch unersetzbar. In extrem beengten Räumen zum Beispiel im Schiffbau müssen menschliche Schweißer in sogenannten „Zwangspositionen“ wie etwa über Kopf schweißen. Um ihnen das Leben und die Arbeit zu erleichtern, erforschen das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA und das Institut für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb IFF der Universität Stuttgart den Einsatz von Exoskeletten.

Ein Live-Experiment im Rahmen des Online-Kongresses WearRAcon Europe 2021 hat dabei gezeigt, dass acht der neun Testpersonen sich durch den Stützapparat deutlich entlastet fühlten. So senkte das Exoskelett die Herzfrequenz um durchschnittlich 5,1 % und den Sauerstoffverbrauch um 6,8 %. Die Qualität der Schweißnaht verbesserte sich laut Auswertung der virtuellen Schweißgeräte durch die Exoskelette im Durchschnitt um rund 2 %.

Das folgende Video des Herstellers Ottobock zeigt, wie dessen Exoskelett Paexo Shoulder auch beim Schweißen zur Entlastung des Werkers eingesetzt werden kann:

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Ein Exomuskel gegen Muskelschwäche-Erkrankungen

Ein Exoskelett der etwas anderen Art haben Forschende an der ETH Zürich entwickelt: Statt eines relativ starren mechanischen Rahmens verwendet es einen Exomuskel aus weichem Stoff. Das sogenannte Myoshirt besteht aus einer Art Weste mit Manschetten für die Oberarme und einem kleinen Kasten, in dem die ganze Technik steckt, die nicht unmittelbar am Körper gebraucht wird.

So funktioniert das Myoshirt

Frau mit Exomuskel vor einer Betonwand
Dank des Exomuskels können zum Beispiel Patientinnen mit Bethlem-​Myopathie ihre Arme und/oder Gegenstände sehr viel länger heben als ohne das Assistenzsystem. (Bild: ETH Zürich)

Ein intelligenter Algorithmus erkennt mithilfe von Sensoren im Stoff, was für eine Bewegung der Träger oder die Trägerin ausführen will und wie viel Kraft dafür benötigt wird. Ein Motor verkürzt daraufhin ein im Stoff parallel zu den Muskeln verlaufendes Kabel – eine Art künstliche Sehne – und unterstützt so die Bewegung.

Die Unterstützung ist dabei immer in Einklang mit der vom Nutzer ausgeführten Bewegung und kann auf individuelle Präferenzen abgestimmt werden. Stets hat der Nutzer oder die Nutzerin die Kontrolle und kann das Gerät jederzeit übersteuern.

Die Funktionsweise des Myoshirt lässt sich gut in folgendem Video der ETH Zürich erkennen:

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