Spielzeugroboter mit Deutschlandfahne

Deutschland braucht sich in Sachen Robotik-Entwicklung nicht hinter den USA, China oder Dänemark verstecken. Aus der Bundesrepublik kommen viele gute Ideen. (Bild: Adobe / fotomek)

Wenn von interessanten Entwicklungen in der Robotik die Rede ist, dann werden zumeist Unternehmen wie Boston Dynamics (USA) oder Universal Robotics (Dänemark) genannt. Aber auch in Deutschland gibt es weit mehr als nur eine Handvoll spannender Robotik-Firmen, wie die folgenden Beispiele beweisen sollen. Eine rein subjektive und bei weitem nicht vollständige Auswahl:

Festo: Pneumatik-Cobot

Den ersten Cobot mit einem pneumatischem Antrieb hat der Automatisierungskonzern Festo kurz vor der Hannover Messe vorgestellt. Man mag sich denken: Ist doch egal, ob eine Achse elektrisch oder mit Druckluft bewegt wird - ist es aber eben nicht. Christian Tarragona, Leiter Robotics bei Festo, erklärt: "Durch die hohe Energiedichte von Druckluft lässt sich der pneumatische Cobot auch ohne aufwändige Kraft-Moment-Sensorik sehr feinfühlig bewegen." Das ist wichtig zum Beispiel bei Anwendungen wie dem Labeling.

Zudem bietet ein pneumatischer Cobot in Sachen Sicherheit einige Vorteile gegenüber elektrisch angetriebenen Systemen. Tarragona: „Durch exakte Druckregler in den Gelenken erkennt der Roboter, wenn er berührt wird und reagiert mit entsprechenden Safety-Funktionen.“ Zudem sind durch den Wegfall von E-Motoren und Getrieben die bewegten Massen deutlich kleiner und somit auch die bei einer Kollision übertragenen Kräfte.

Pneumatischer Cobot von Festo gibt auf der Hannover Messe Bundeskanzler Olaf Scholz die Hand
Die Innovation des pneumatischen Cobot war sogar Bundeskanzler Olaf Scholz auf der Hannover Messe einen Handschlag wert. (Bild: Festo)

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Toolify: Eine Software, sie alle zu einen

Das Unternehmen Toolify mit Sitz in Ulm geht im Kern zurück auf langjährige Forschung und Entwicklung, in denen modellgetriebene Softwareentwicklung und die modellgetriebene Kombination von Robotik-Komponenten das Thema war. Das Ergebnis ist die sogenannte Low Code Engineering Umgebung, mit der sich schnell und flexible eine Kompatibilität zwischen Komponenten wie dem Roboterarm und verschiedenen Greifern oder Kameras herstellen lässt.

Dr. Dennis Stampfer, einer der Gründer und CEO der Toolify Robotics GmbH: “Wir schaffen ein digitales Modell der Schnittstellen der Komponenten, das wir in unsere Low Code Engineering Umgebung einbinden und dort als Baustein verfügbar machen. Das ist ein kleiner Aufwand, der nur einmal getrieben werden muss. Der Aufwand ist von der jeweiligen Komponente abhängig, aber wir reden hier von Stunden oder Tagen und nicht mehr.”

Der große Vorteil dieser Lösung, so Stampfer: "Wenn sich ein Parameter ändert - etwa weil ich ein schwereres Werkstück bewegen muss - dann kann ich den verwendeten Arm einfach austauschen und den Rest der Anwendung aber weiterverwenden - denn dort ist die abstrakte Fähigkeit Greifen definiert, nicht der konkrete Fall ´zwei Kilo schwere rechteckige Box greifen´".

Wie das System, das auch Teil des Robotik-Marktplatzes Xito ist, funktioniert, zeigt folgendes Video:

Wie die Roboterprogrammierung leichter fällt

Roboterprogrammierung war urprünglich ein Thema nur für hochqualifizierte Experten. Mit der Ausbreitung von kollaborativen- und Leichtbau-Robotern sinken die Hürden für die Roboterprogrammierung immer weiter und werden breiteren Gruppen etwa in Handwerk und Mittelstand zugänglich. Einige Beispiele, wie sich der Einstieg ins Programmieren von Robotern schaffen lässt:

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Fraunhofer IML: Simulationsbasierte KI für die Roboterentwicklung

Gleich zwei Roboter für die Logistik namens evoBOT und O3dyn (Omnidirektional, Outdoor und Open Source ) hat das Fraunhofer-Institut für für Materialfluss und Logistik IML auf der Logimat 2022 in Stuttgart vorgestellt. Beide sind dank ihrer Detaillösungen wie dem Balancieren durch ein inverses Pendel spannend - aber noch spannender ist ihre Geschichte. Entwickelt haben die Forschenden des IML die Roboter auch mithilfe eines neuen Forschungszweigs: der Simulationsbasierten Künstlichen Intelligenz.

Dank moderner Grafikkarten lassen sich hochkomplexe Vorgänge in Echtzeit simulieren. Mittels Motion Capturing gleichen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Verhalten in der Simulation mit dem der realen Fahrzeuge ab und optimieren so das Simulationsmodell. Je mehr sich die Differenz von Modell und Realität reduziert, umso mehr wird der Roboter zum cyberphysischen Zwilling der Simulation.

Dieses Vorgehen kann Entwicklungszeiten massiv reduzieren: So lassen sich Prototypen bereits in der digitalen Realität testen, bevor sie gebaut werden. Zudem lassen sich die Entwicklungen von Hardware und Software auf diesem Wege entkoppeln. Die Forschenden sprechen statt dessen von einem "digitalen Kontinuum der Entwicklung", das auf diese Weise entsteht.

Zweirädriger selbstbalancierender Logistikroboter
Logistikroboter aus dem "Robotic Continuum": der evoBOT des Fraunhofer IML (Bild: Fraunhofer IML)

Avatera: ein OP-Roboter aus Mitteldeutschland

Prof. Jens-Uwe Stolzenburg, Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie des Universitätsklinikums Leipzig UKL, bei einem Eingriff mit dem Avatera-OP-Robotersystem.
Prof. Jens-Uwe Stolzenburg, Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie des Universitätsklinikums Leipzig UKL, bei einem Eingriff mit dem Avatera-OP-Robotersystem. (Bild: Stefan Straube / UKL)

Wenn man es als Unternehmen schafft, dass ein Produktname eine ganze Gattung definiert, dann hat man es definitiv geschafft. Beispiele sind das Tempo-Taschentuch oder - für uns interessanter - der OP-Roboter daVinci. Aber mit dieser Alleinstellung könnte es bald vorbei sein: Das in Deutschland entwickelte OP-Robotersystem Avatera ist im Frühjahr 2022 erstmals und erfolgreich in der Routineversorgung bei urologischen Eingriffen eingesetzt worden.

Avatera ist von der Avateramedical-Gruppe mit Hauptsitz in Jena entwickelt worden. Sie hat rund 200 Mitarbeiter. Das System kann - auch im Vergleich zu dem daVinci - durchaus mit einigen Eigenständigkeiten aufwarten.

Laut dem Hersteller ist das Avatera-System besonders platzsparend, weil es aus nur zwei Hauptkomponenten besteht:

  • Dem eigentlichen OP-Roboter mit vier Roboterarmen zur Steuerung von chirurgischen Instrumenten und Endoskop.
  • Einer Steuereinheit mit integriertem Sitz und einfacher Handhabung über haptische, manuelle Eingabegeräte und Fußschalter.

Avatera bietet durch die Verwendung von Einmalinstrumenten wie Metzenbaum-Schere oder Nadelhalter eine Kostenersparnis, weil aufwändige Sterilisationslösungen nicht benötigt werden. Auch zeit- und arbeitsintensive Prozesse, wie Reinigen, Waschen, Transportieren, Befüllen, Trocknen, Warten, Verpacken und Dokumentieren von Instrumenten entfallen, so Hersteller Avateramedical.

Das folgende Video zeigt, wie Avatera entwickelt wurde und was es im Einsatz auszeichnet:

Igus: Mit klugem Kunststoff zur Low Cost Automation

Es gibt Unternehmen, die schaffen einen interessanten Spagat: sich einerseits auf das zu konzentrieren, was sie wirklich gut können, und zugleich das Geschäft auf immer neue Bereiche auszudehnen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Kölner Igus GmbH, ein Spezialist für Hochleistungskunststoff in bewegten Anwendungen.

Igus tritt immer wieder den Beweis an, dass in Kunststoff weit mehr steckt, als man denkt. Jüngst demonstriert etwa in Form des ersten industrietauglichen Cobot-Getriebes aus Kunststoff. Es wurde seit 2019 in ausführlichen Testreihen mit 15 verschiedenen Materialpaarungen entwickelt und ist nun Kernelement des ReBeL von Igus, einem der günstigsten und leichtesten Cobots auf dem Markt.

Der Fokus auf Kunststoff ist aber kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck, die Automatisierung in form von besonders leichten und kostengünstigen Robotern auch kleinen und kleinsten Unternehmen zugänglich zu machen. Dazu hat Igus auch das Portal RBTX aufgesetzt, das einen Online-Marktplatz mit Services wie einer Live-Videoberatung kombiniert.

Explosionsansicht eines Wellgetriebes aus Kunststoff
Ein Cobot-Wellgetriebe aus Kunststoff mit zwei Millionen Zyklen Lebensdauer zu bauen ist kein triviales Unterfangen, Igus hat es geschafft. (Bild: Igus)

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