Professor Dr. Bernd Finkemeyer (FH Kiel) und Sabine Hipp (macio GmbH) vor einem Roboterarm des Herstellers Universal Robotics - die beiden wollen auch Laien etwa im Mittelstand und Handwerk die Roboterprogrammierung ermöglichen.

Professor Dr. Bernd Finkemeyer (FH Kiel) und Sabine Hipp (macio GmbH) möchten auch Laien das Programmieren von Robotern ermöglichen. (Bild: Sönke Schaack)

Im Projekt “Robotics Out Of The Box” soll es Laien etwa in kleineren Betrieben ermöglicht werden, Roboter zu programmieren. Was war die Triebfeder dafür?

Finkemeyer: Wir sind Teil des Mittelstand-Digital Zentrum Schleswig-Holstein und führen sehr viele Gespräche mit Mittelständlern. Viele beklagen eine Lücke: Sie erkennen, da ist Automatisierungspotential. Aber der Einsatz von Automatisierungstechnik ist für mittelständische Unternehmen häufig noch sehr aufwändig. Die Anwender:innen begeben sich sehr schnell in eine Abhängigkeit von Dritten. Wir wollen mit Robotics Out Of The Box diese Abhängigkeit reduzieren. Robotik wird auch für kleinere Betriebe interessant, wenn man nicht für jede kleine Änderung gleich einen Dienstleister beauftragen muss.

Wie soll das konkret funktionieren?

Wir wollen davon wegkommen, dass Anwender:innen dem "Kollegen Roboter" sagen müssen, wie er etwas im Detail machen muss. Stattdessen sollen sie ihm mitteilen, was er insgesamt machen soll - das Ganze also auf eine höhere Abstraktionsebene bringen.

Zum Projekt: Robotics Out Of The Box

Viele kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) oder Handwerksbetriebe setzen keine Roboter ein, obwohl sie davon profitieren könnten, oft aus Angst vor der Programmierung. Das wollen die Kooperationspartner von „Robotics Out Of The Box“ ändern. Seit Sommer 2021 arbeiten die Fachhochschule Kiel, der Kieler User-Interface-Spezialist macio GmbH und der mittelständische Produzent hydraulischer Steuerventile Buchholz Hydraulik GmbH daran, die Hürde für den Einsatz von Robotern in der Produktion zu senken.

 

Am Ende von Robotics Out Of The Box soll ein Robotik-Programmiersystem für Mittelstand und Handwerk stehen, das Laien nach einer kurzen Anlernzeit die Erstellung und Anpassung von Roboterapplikationen erlaubt. Grafische Tools sollen eine aufgabenorientierte Programmierung durch die Aneinanderreihung von gelösten Aufgaben ermöglichen. Die Fähigkeiten eines Roboters sollen durch Zukauf von kleinen, mit Apps vergleichbaren Softwarekomponenten erweiterbar sein. Langfristig ist hierfür ein entsprechender App Store vorgesehen. Die Produktivität der Unternehmen kann so unkompliziert gesteigert werden.

Wie kann man sich das etwa im Handwerk praktisch vorstellen?

Finkemeyer: Die Idee ist, dass man eine Vielzahl von einzelnen kleinen Fähigkeiten für einen Roboter hinterlegt - ganz ähnlich wie bei  Auszubildenden im Handwerk. Auch die lernen, wie man Bretter hobelt oder ein Werkstück markiert und viele andere Tätigkeiten. Dementsprechend bringen wir, die Expert:innen, dem Roboter diese vielen einzelnen Fähigkeiten bei. Die Anwender:innen können anschließend diese Fähigkeiten abrufen und in eine Reihenfolge bringen, die zu ihrem individuellen Produktionsprozess passt.

Die einzelnen Bausteine müssen aber noch richtig platziert werden, es reicht nicht, einen Ausgangs- und Endzustand zu definieren?

Finkemeyer: Ja, das stimmt. Diese Programmierung ist dort angesiedelt, wo klassischerweise in einem Unternehmen die Arbeitsvorbereitung sitzt. Dort wird ebenfalls festgelegt, welche Arbeitsschritte in welcher Reihenfolge notwendig sind.

Wir arbeiten bei Robotics Out Of The Box neben unserem Projektpartner, der macio GmbH, auch mit einem Pilotkunden zusammen, der Firma Buchholz Hydraulik GmbH und kooperieren dort ganz konkret mit der Arbeitsvorbereitung. Mitarbeitende mit dem Qualifikationsniveau für die Arbeitsvorbereitung sollen in Zukunft mit unserem System die Roboterprogrammierung vornehmen können.

Im Video erläutern Professor Dr. Bernd Finkemeyer (FH Kiel) und Sabine Hipp (macio GmbH), wie im Projekt Robotics Out Of The Box eine Laien-taugliche Roboterprogrammierumgebung entstehen soll.

Warum das Hand-Teaching nur ein Teil der Lösung ist

Viele Roboterhersteller bieten mittlerweile ja das Konzept des Hand-Teachings an. Macht das Ihren Ansatz nicht überflüssig?

Finkemeyer: Nein, ganz und gar nicht. Wenn ich beim Teaching einen Punkt mit der Hand anfahre, ist die Logik dahinter - zu welchem Zweck ich den Punkt anfahre - ja noch nicht beantwortet. Tatsächlich haben wir die Handführung aber auch in unseren Ansatz integriert.

Wie sieht das aus?

Finkemeyer: Bei uns kommt das Hand-Teaching zu einem späteren Zeitpunkt. Wir sagen: Die Ablauflogik macht die Arbeitsvorbereitung, damit ist die Programmierung fertig. Dann geht es in die Arbeitszelle hinein und dort muss bei der Inbetriebnahme dann noch einmal Feinarbeit geleistet werden und das geht mit Funktionen wie der Handführung sehr gut.

Zur Person: Prof. Dr. Bernd Finkemeyer

Roboter sind dumm, davon ist Prof. Dr. Bernd Finkemeyer überzeugt. Er muss es wissen, denn Finkemeyer forscht und arbeitet seit mehr als 20 Jahren auf dem Gebiet der Robotik. Nach einem Studium der Mess-, Regelungs- und Automatisierungstechnik an der TU Braunschweig und Promotion zum Doktor-Ingenieur war Finkemeyer von 2005 bis 2012 beim Roboterhersteller Kuka in Augsburg tätig, zuletzt als Leiter Steuerungsentwicklung im Bereich Forschung und Entwicklung der Kuka Laboratories. Seit Oktober 2012 ist er Professor an der Fachhochschule Kiel im Fachbereich Maschinenwesen.

Bei Roboterprogrammierung Mensch in den Mittelpunkt stellen

Sie setzen in dem Projekt Aktionen in kombinierbare und wiederverwendbare “Bausteine” um. Sind viele Aktionen nicht zu sehr domänen- oder anwendungsspezifisch und dadurch nicht universell nutzbar?

Finkemeyer: Es gibt natürlich Fähigkeiten, die stark domänenspezifisch sind. Wir hängen unsere Bausteine ja sehr stark an das zu manipulierende Objekt wie etwa eine Schraube. Die Logik dahinter ist: Was kann der Roboter alles mit einer Schraube machen?

Die Punkte Übertragbarkeit und Wiederverwendbarkeit sind in der Tat noch mit einigem Forschungsaufwand verbunden. Wir müssen herausfinden, wie groß oder klein diese Fähigkeiten umrissen sein müssen, damit der Baustein möglichst allgemein nutzbar ist.  Da sind wir noch am Experimentieren, um die passende Granularität herauszufinden.

Ziel des Projektes ist ja, mit dem Kollegen Roboter genauso zu interagieren wie mit menschlichen Kolleg:innen. Heißt das nicht auch, dass man von einer grafischen zu einer sprachbasierten Programmierung kommen muss?

Finkemeyer: Wir haben auch schon mit Spracheingaben experimentiert. Deren Mehrwert ist aber noch nicht deutlich geworden. Für uns ist im Vergleich zu anderen Projekten eines ganz entscheidend: Wir stellen die Nutzer:innen wirklich in den Mittelpunkt. Wir reden mit den Arbeitsvorbereitenden: Was wollt ihr machen und wie wollt ihr es machen? Welche Technologien wir dann zur Umsetzung darunterlegen, das entscheiden wir erst im zweiten Schritt.

Wenn uns beispielsweise ein Nutzer sagt, es wäre toll, wenn ich hier nur ein Sprachkommando abgeben könnte, dann bauen wir das Sprachkommando ein. Nicht weil wir sagen, die Technik ist so weit, sondern weil der Anwender darin einen Vorteil sieht. Aus diesem Grund arbeiten wir auch mit der Firma macio zusammen, einem Spezialisten für Software und User Interface Design, der seit über 20 Jahren Bediensoftware entwickelt und daher sehr genau weiß, wie Nutzer:innen sinnvoll in die Entwicklung eingebunden werden.

Es wird in jedem Fall eine multimodale Interaktion mit den Nutzer:innen geben. Das wird von der grafischen Eingabe über Gesten und Sprache bis hin zu Augmented Reality reichen.

Warum der Fachkräftemangel ein starker Motivator ist

Wie sieht ein Augmented-Reality-Szenario in diesem Kontext aus?

Finkemyer: Man möchte in der Entwicklung nicht immer gleich das echte Roboterprogramm abfahren, um etwa zu testen. Stattdessen wird man Entwicklungsschritte in einer Augmented-Reality-Simulation überprüfen können.

Wie ist denn - nach knapp der Hälfte der Projektlaufzeit - ihre Halbzeitbilanz?

Finkemeyer: Wir haben jetzt einen ersten Prototyp fertig und sehen einen Weg zu dem erhofften Ergebnis - aber wir sehen auch, dass darauf noch eine Menge Steine liegen. Die Firma Buchholz sagt, sie ist mit den Ergebnissen bisher sehr zufrieden und kann es kaum abwarten, dass die Lösung vollständig verfügbar ist.

...wann rechnen Sie denn damit, dass Robotics Out Of The Box als Produkt zur Roboterprogrammierung allgemein zur Verfügung steht?

Finkemeyer: Der Fachkräftemangel kommt rasant auf uns zu, ab 2030 wird das richtig gravierend. Das ist ein starker Motivator für uns. Ich gehe davon aus, dass es keine fünf Jahre mehr dauern wird.

Wie die Roboterprogrammierung leichter fällt

Roboterprogrammierung war urprünglich ein Thema nur für hochqualifizierte Experten. Mit der Ausbreitung von kollaborativen- und Leichtbau-Robotern sinken die Hürden für die Roboterprogrammierung immer weiter und werden breiteren Gruppen etwa in Handwerk und Mittelstand zugänglich. Einige Beispiele, wie sich der Einstieg ins Programmieren von Robotern schaffen lässt:

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