Bauarbeiter bedient Bohrroboter

Überkopf bohren mal ohne Nackenschmerzen. Der Baustellenroboter übernimmt körperlich anstrengende, gelenkstrapazierende Anwendungen und reduziert so mögliche Risiken für den Mitarbeiter. Der Mitarbeiter bedient den Jaibot, richtet die Totalstation ein und trägt Sorge, dass der Bohrroboter seine Arbeiten ausführen kann. (Bild: Hilti)

Sie fräsen Kulissen, verputzen Mauern, klettern in Aufzugschächte oder fügen Balken zu einem Haus zusammen. Diese sieben faszinierenden Roboter-Entwicklungen geben einen Einblick, wie Automatisierung den Alltag im Handwerk verändert. Entlastung und Sicherheit in gefährlichen Arbeitssituationen sind schlagkräftige Argumente der Roboter-Hersteller, die Handwerker mehr Freiraum beim Arbeiten verschaffen sollen. Vom Kuka-Klassiker bis hin zum humanoiden Roboter - Kollege-Roboter.de zeigt Ihnen sieben unerwartete Systeme, die Handwerks-Unternehmen heute und in Zukunft auf dem Zettel haben sollten.

1. Baustellenabläufe automatisieren: Baustellenroboter für Deckenbohrungen

Einen semi-autonomen Bohrroboter für Decken auf Baustellen bietet das Bohrmaschinen-Unternehmen Hilti. Der "Jaibot" hat seine Stärken in der Gebäudetechnik-Installation (zum Beispiel Joche, Deckensegel und Typicals) und arbeitet nach einem digitalen Plan. Handwerker oder Bauarbeiter müssen den Jaibot also nur noch bedienen. Das angenehme daran: Da der Roboter die Löcher entsprechend dem Plan kennzeichnet und bohrt, entlastet er den Mensch auf der Baustelle von anstrengenden und wiederkehrenden Aufgaben wie dem Bohren über Kopf. Er setzt die digitale Planung präzise, schnell und sicher um.

Position, Bohrlochtiefe und -durchmesser tausender - ansonsten nur mühsam und zeitaufwendig zu bohrender - Löcher sind bereits im digitalen Bohrplan definiert. Das wiederum führt zu weniger Fehlern, einer höheren Genauigkeit und einem saubereren Bohrergebnis - wobei auch der eingebaute Staubabsauger hilft. Während der Bohr- und Markier-Prozesse synchronisiert sich der Roboter über das mobile Datennetz und der aktuelle Stand des Projekts kann zur Dokumentation in Echtzeit bequem mitverfolgt werden.

Die Daten aus dem digitalen Plan unterstützen in Kombination mit der entsprechenden Hardware auch die Zusammenarbeit und zügige Ausführung körperlich fordernder, wiederkehrender Aufgaben. BIM-gestützt führt er die Arbeiten deutlich produktiver aus.

Was ist BIM?

BIM bedeutet Bauwerksdatenmodellierung und beschreibt lt. Wikipedia eine Arbeitsmethode für die vernetzte Planung, den Bau und die Bewirtschaftung von Gebäuden und anderen Bauwerken mithilfe von Software. Dabei werden alle relevanten Bauwerksdaten digital modelliert, kombiniert und erfasst. Das Bauwerk ist als virtuelles Modell auch geometrisch visualisiert. Building Information Modeling findet Anwendung sowohl im Bauwesen, in der Bauplanung und Bauausführung wie auch im Facility Management.

Hilti's Bohrroboter im Video

Quelle: Hilti/Youtube

2. Ein Kraft-Paket zum Fräsen - Beispiel Requisitenbau

Der Requisitenbau als Handwerk für Film, Fernsehen oder Theater benötigt Zeit, Detailtreue und verschlingt nicht selten hohe Kosten. Auf eine kostengünstige Alternative greift das Studio Babelsberg zurück: Beim Tochterunternehmen Art Department Studio Babelsberg fertigt ein Kuka-Fräsroboter aus der KR-Quantec-Ultra-Familie anspruchsvolle Skulpturen aus Hartschaum.
Jede Requisite wird zunächst individuell am Computer mit einem eigenen Programm modelliert. Die Software Sprutcam von der Datentechnik Reitz ist im nächsten Schritt für die Übersetzung der Modellierung für den Roboter zuständig. Die Produktion schließlich übernimmt der Kuka-Industrieroboter vom Typ KR 210 R3100 aus der Produktfamilie KR Quantec ultra. Dabei handelt es sich um den kräftigsten, steifsten und präzisesten Roboter der KR-Quantec-Serie mit einer Reichweite von über drei Metern. Diese Reichweite ist wichtig, weil der Hartschaum, aus dem die Skulpturen herausgefräst werden, eine Größe von bis zu drei mal drei Metern umfasst. Per Handarbeit ein äußerst mühsames Thema!

Sie suchen automatisierte Lösungen für das Bohren, Fräsen und Polieren mit Robotern? Weitere Tipps gibt es hier!

Der Fräsroboter von Kuka bei der Arbeit - Quelle: Kuka/Youtube

3. Roboter für Verputz- und Malerarbeiten

Seit 2018 sorgt Okibo mit seinen autonomen Putzrobotern für Aufsehen in der Bauindustrie. Der gleichnamige Roboter des japanischen Herstellers kann zahlreiche Aufgaben ausführen, die andernfalls in mühsamer und - in entsprechenden Höhen teils nicht ungefährlicher - Handarbeit erfolgen müssten. Ausgestattet mit einer Reihe von Sensoren und einem 3D-Laserscanner, erfasst er seine Umgebung automatisch, orientiert sich selbstständig und trägt KI-gestützt Putze oder Farben auf beliebige Oberflächen auf, wobei er Fenster- und Türöffnungen oder andere auszusparende Flächen berücksichtigt. Die Maschine kommt mühelos mit unterschiedlichen Oberflächen klar und erfordert nur minimale menschliche Eingriffe.

Laut Okibo verrichtet der Roboter Verputzarbeiten in höchster Qualität in nur einem Bruchteil der Zeit, die bei herkömmlichen Verputzmethoden benötigt wird. Noch ein Vorteil der Maschine, der nicht zu unterschätzen ist: Der Roboter wird nie müde und könnte in entsprechendem Terrain vollkommen autonom 24 Stunden, sieben Tage die Woche durcharbeiten. Nachmacher vor!

Das Roboter-System von Okibo beim Verputzen

Quelle: Okibo/Youtube

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4. Der intelligente Roboter-Anzug - ein Kraftanzug!

Dieses System hat ein bisschen etwas von Iron Man. Cray X heißt ein intelligentes Exoskelett des Augsburger Herstellers German Bionic zur Entlastung bei schweren Arbeiten. Die robotischen Exoskelette unterstützen Arbeiterinnen und Arbeiter beim Heben, Be- und Entladen, beim Gehen und Tragen sowie bei dauerhaftem Arbeiten in vorgebeugter Haltung. Darüber hinaus hat das Roboterunternehmen German Bionic in 2023 das Exoskelett Apogee+ für Pflegekräfte zum Heben und Bewegen von Pflegebedürftigen eingeführt.

Der Roboter-Anzug ist aus ultraleichten Karbonfasern hergestellt und unterstützt Handwerker und Produktions-Arbeiter beim Heben schwerer Lasten bis zu 28 Kilogramm. Der Clou: Per Cloud-Schnittstelle lässt sich das System mit dem industriellen Internet der Dinge (IoT) und der Smart Factory vernetzen. Das flexible Robotics-as-a-Service-Preismodell macht das Cray X für jedes Unternehmen, vom Handwerksbetrieb bis zum Dax-Konzern, erschwinglich.

Das Exoskelett Cray X in der Demo bei next Robotics - Quelle: next Robotics/Youtube

5. Ein humanoider Roboter-Bauarbeiter

Dieser Roboter klingt nach Science Fiction, könnte aber tatsächlich bereits in einigen Jahren im Handwerk mit anpacken: HRP-5P ist ein humanoider Roboter und wurde vom National Institute of Advanced Industrial Science and Technology (kurz: AIST) aus Japan entwickelt, um autonome Bauarbeiten durchzuführen.

HRP-5P ist 1,81 Meter groß und gut 100 Kilogramm schwer. In einem Video ist zu sehen, wie HRP-5P selbstständig eine Trockenbauwand in mehreren Arbeitsschritten aufstellt. Der Roboter trägt eine Trockenbauplatte zu einer Holzunterkonstruktion der Wand, passt sie dort ein und verschraubt sie. Zugegeben: Die Bewegungen sehen stellenweise wenig feinmotorisch aus – was den Vorgang des Verschraubens betrifft. Aber HRP-5P ist ja auch (noch) eine Entwicklungs-Plattform. Die Frage ist nicht, ob uns in Zukunft Roboter auf den Baustellen begegnen werden, sondern, wann es so weit sein wird. Verfolgt man die technologische Entwicklung von Robotik-Unternehmen wie z.B. Boston Dynamics, liegt die die Vision der Automatisierung durch Robotik auf der Baustelle womöglich in naher Zukunft.

HRP-5P - ein humanoider Roboter packt an - Quelle: AIST/Youtube

Robonet 4.0: Digitalisierung und Automatisierung im Handwerk

Egal ob beim Bohren überkopf oder bei gefährlicher und schwerer körperlicher Arbeit: Automatisierte digitale Prozesse sollen die Arbeit im Handwerk mehr und mehr erleichtern. Gemeinsam mit der Fraunhofer-Einrichtung IGCV in Augsburg wurde die intuitive Steuerung des mobilen Baustellenroboters Robonet 4.0 mittels AR-Brille (Augmented Reality) entwickelt. Ziel war es, einen Roboter ohne fundierte Programmierkenntnisse steuern zu können. Im besten Fall über intuitive Gesten und dies in einem Anwendungsfall zu demonstrieren. Das Projekt soll für kleine und mittelständische Handwerksbetriebe eine wesentliche Effizienzsteigerung im Bereich der Montage möglich machen.

6. Der Kletterer im Aufzugschacht

Die Installation von Aufzügen in Hochhäusern zählt zu den schwierigsten und gefährlichsten Aufgaben auf Baustellen. Der Aufzughersteller Schindler hat dafür sein "Robotics Installation System for Elevators" - kurz R.I.S.E - entwickelt. Der autonome, selbstkletternde Roboter arbeitet sich langsam den Aufzugschacht hoch und bohrt dabei Löcher in die Betonwände und setzt die Ankerbolzen zur präzisen Montage der Führungsschienen des Aufzugs. Auf der Plattform ist eine Kamera montiert, um eine konstante Fernüberwachung zu garantieren. Das System arbeitet jedoch unabhängig. Es ergänzt andere Digitalisierungslösungen in der Hochbauindustrie, wie z. B. Building Information Modeling (BIM).
Nachdem Schindler R.I.S.E erfolgreich im Aufzugsschacht installiert ist, arbeitet dieser autonom rund um die Uhr, bis alle Ankerbolzen eingebaut sind. Zur Qualitätskontrolle und Unterstützung bleibt eine Schindler R.I.S.E-Steuerperson für die Dauer der Installation vor Ort anwesend.

 

Schindlers R.I.S.E im Einsatz - Quelle: Schindler/Youtube

7. Roboter bauen Hand in Hand ein Fachwerkhaus

Gerade im Handwerk sind Roboter meist "Einzelkämpfer", die mit großer Zuverlässigkeit eine singuläre Aufgabe übernehmen. Was möglich ist, wenn Roboter nicht nur mit Menschen, sondern auch untereinander kollaborieren, hat die ETH Zürich im Projekt " Spatial Timber Assemblies" demonstriert. Bei der am klassischen Fachwerkbau orientierten Produktionsmethode für Häuser arbeiten mehrere unterschiedliche Roboter quasi Hand-in-Hand.

In einem ersten Schritt nimmt ein Roboter einen Holzbalken auf und führt ihn einer Säge für den Zuschnitt zu. Nach einem automatisierten Werkzeugwechsel bohrt ein zweiter Roboter die erforderlichen Löcher für die Anschlüsse zu den verbindenden Balken vor. Abschließend kooperieren die beiden Roboter und ordnen die Balken gemäß Computerentwurf präzise im Raum an. Damit es beim Positionieren der einzelnen Holzbalken nicht zu Kollisionen kommt, haben die Forschenden einen Algorithmus entwickelt, der den Bewegungspfad für die Roboter anhand des Baufortschritts fortlaufend neu berechnet. Handwerker verschrauben die Balken anschließend manuell. Im Gegensatz zur traditionellen Holzrahmenbauweise kann bei Spatial Timber Assemblies auf Verstärkungsplatten zur Aussteifung verzichtet werden, denn die erforderliche Steifigkeit und Tragfähigkeit resultiert aus der geometrischen Anordnung.

Roboter kooperieren im Holzbau - Quelle: ETH Zürich / Youtube.com

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