Mann steht vor Bildschirm und gibt durch Gesten Befehle für die Programmierung eines Roboters ein

Dem Roboter zeigen, was Sache ist: Demonstrator einer Gestensteuerung für die Roboterprogrammierung (Bild: Fraunhofer IWU)

Auch wenn die Roboterprogrammierung in den letzten Jahren durch Hand-Teaching und grafische Oberflächen wesentlich einfacher geworden ist, schrecken immer noch viele kleinere Betriebe vor dem Einsatz von Robotern zurück. Der Grund ist oft, dass dynamische Prozesse im Unternehmen eine häufige Umprogrammierung erfordern würden, und die kostet trotz aller Fortschritte immer noch zuviel Zeit.

Auf der Automatica 2022 (21.-24.6 in München) zeigt das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU, dass es auch ganz anders geht. Die Vision: Jede(r) muss einen Roboter programmieren können, und das muss so schnell und unkompliziert funktionieren, dass sich der Einsatz des maschinellen Helfers auch für eine einzelne Anwendung lohnt, die kein weiteres Mal benötigt wird.

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Multimodale Interaktion statt klassischer Programmierung

Dank der vom Fraunhofer IWU getriebenen multimodalen Interaktionsstrategie können Mitarbeitende in der Produktion künftig selbständig die Bewegungsabläufe des Roboters festlegen, der sie in ihrer Tätigkeit unterstützen soll. Denn die multimodale Interaktion ermöglicht es, Roboter intuitiv über Gesten und Sprachbefehle zu programmieren.

Um den Roboter für die gewünschte Abfolge der Bewegungen anzulernen (Teachen), genügt es dank der Software SmartGesture, die Punkte der Bewegungsbahn mit dem Finger anzuzeigen (Fingertracking) und mit einem einfachen Sprachbefehl festzulegen. Der Roboter kann diese Bewegungsbahnen unmittelbar nachvollziehen und so zeigen, dass er die gewünschten Bewegungen exakt umsetzen kann.

Fingertracking sogar remote möglich

Die Programmierung per Fingertracking und Sprachsteuerung kann sogar remote, also ortsunabhängig erfolgen. Ist die gesamte Bewegungsbahn des Roboters festgelegt, hat das System auch schon die Sicherheitszone definiert: Kommt ihm ein Mensch zu nahe, verlangsamt er seine Bewegungen oder bremst bis zum Stillstand ab. Für viele Arbeitsaufgaben, beispielsweise Lackieren oder Polieren, genügt die ohne zusätzliche Hilfsmittel erreichbare Teaching-Genauigkeit von etwa 0,5 cm. Ein Fingerspitzenaufsatz kann die Präzision bei Bedarf nochmals deutlich erhöhen.

Das Team um Dr. Mohamad Bdiwi, Leiter Kognitive Mensch-Maschine-Systeme am Fraunhofer IWU, hat für die multimodale Mensch-Roboter-Interaktion sowohl Cobots als auch konventionelle Industrieroboter im Blick. Nicht zuletzt die Verknüpfung von intelligenter Bahnplanung und Sicherheitszonierung in Echtzeit ermöglicht viele Einsatzszenarien.

Auch der Verzicht auf zusätzliche Geräte hält den Aufwand gering. Lediglich eine Vision-Sensorik mit RGB-D Kamera zur Erfassung der Finger- und Handbewegungen sowie ein Spracherkennungs-Board für die Spracherkennung werden benötigt. Dies öffnet die Perspektive für breite Einsatzmöglichkeiten.

Ziel ist es, die Robotik noch wirtschaftlicher und damit auch für kleinere industrielle Fertigungen oder das Handwerk interessant zu machen – bis hin zur Stückzahl 1. Mohamad Bdiwi: "Heute gehören Schreibtisch und PC, Notebook oder Tablet ganz selbstverständlich zusammen. Warum sollte künftig nicht auch in jeder Werkstatt ein einfach zu programmierender Roboter stehen – oder zumindest stehen können?"

Wie die Roboterprogrammierung leichter fällt

Roboterprogrammierung war urprünglich ein Thema nur für hochqualifizierte Experten. Mit der Ausbreitung von kollaborativen- und Leichtbau-Robotern sinken die Hürden für die Roboterprogrammierung immer weiter und werden breiteren Gruppen etwa in Handwerk und Mittelstand zugänglich. Einige Beispiele, wie sich der Einstieg ins Programmieren von Robotern schaffen lässt:

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Roboterbahn vom Werkzeugverhalten entkoppeln

Insbesondere in Kombination mit einem intelligenten, von der Roboterbahn unabhängigen Werkzeug ergeben sich breite Anwendungsmöglichkeiten. Das Robotik-Team des IWU demonstriert auf der Automatica, wie beispielsweise die in Geometrie und Oberflächenbeschaffenheit anspruchsvolle Abdeckung der Klaviatur eines Klaviers robotergestützt schnell und hochwertig lackiert werden kann.

Ohne jegliches Dazutun des Anwenders übernehmen die Software RobFrame und ein digitaler Zwilling die Optimierung und Validierung der Roboterbahn, um Kollisionen mit dem zu lackierenden Teil oder anderen Gegenständen oder Personen zu vermeiden. Die Softwarepakete DynaRisk und SafeZone garantieren zusätzlich maximale Sicherheit bei minimiertem Platzbedarf. Eine KI-Lösung unterstützt dabei, Einflussgrößen wie die genaue Beschaffenheit der Holzoberfläche (Maserung, Rauigkeit), Lackeigenschaften und Lichtreflexionen des feuchten Lacks (optische Überwachung des Ergebnisses) im Sinne eines optimalen Lackierergebnisses zu berücksichtigen.

"Damit entkoppeln wir die Roboterbahn vom Werkzeugverhalten, das mit eigener Sensorik ausgestattet beispielsweise die Lackmenge feindosieren kann", so Dr. Marcel Todtermuschke, Leiter des Geschäftsfelds Agile Produktionsmaschinen und -anlagen am Fraunhofer IWU.

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